Berufsorientierung oder „Mach doch mal einen Test“

Berufsorientierung Test Young Potentials Dr. Peter Hesse

Möchtest du…
… Menschen helfen
… tüfteln
… dich schick anziehen
… aus der Reihe tanzen

Berufswahltests gibt es wie Sand am Meer. In meiner Beratungspraxis – vielmehr in der Phase der Kontaktanbahnung – werde ich oft nach solchen Tests gefragt.

Es scheint ein probates Mittel zu sein. Eine Mischung aus Gamification und Quiz. Eine Mischung aus Fachfragen und Lifestyle. Eine Mischung aus Emotion und Karriereziel. Ein paar Fragen, ein paar Checkboxen, vielleicht noch ein paar Freifelder und das Ergebnis ist…

DER TRAUMJOB.

Aber sind wir mal ehrlich: das kann nicht funktionieren. Jobmatch per App? Tinder for jobs? Ein Test für 768.186 Schulabsolvent:innen (Stand 2021)? Unwahrscheinlich.

Das Gegenteil ist sicher sinnvoll: Wir sind Individualisten mit der ganz großen Stärke von Einzigartigkeit. Klar ist das gleichzeitig die Herausforderung – aber genau darum ist Berufsberatung mein Traumjob (obwohl der Test im Arbeitsamt vor vielen Jahren ergeben hat, dass ich Landschaftsgärtner werden sollte…).
Testverfahren aus der Sozialforschung oder der Psychologie können sicher einige Fragen klären und unbewusste Neigungen, Stärken oder Charaktermerkmale offensichtlich machen. Und wir machen sie gern mit unseren Klienten, aber nur um erste Hinweise zu sammeln. Denn sie geben weder eine klare Antwort noch sind sie eindimensional. Vielmehr eröffnen sie Optionen und machen Berufsfelder sichtbar, die vorher vielleicht noch nicht bekannt waren. Und es braucht immer wieder viel Überlegung, wie man die Ergebnisse eines Persönlichkeitstests nutzt, wenn es um die Berufswahl von Menschen geht. Ich blicke mit meinen Tools und meinen Erfahrungen aus einer ganz neuen Perspektive auf meine Klient:innen. Meine Beratung liefert kein Testergebnis, in dem Klienten und ihre Möglichkeiten für das Berufsleben in Zahlen und Graphiken bewertet werden, sondern ein Persönlichkeitsprofil. Das ist sehr viel vielschichtiger.

Mein Fazit: ich bin gar nicht gegen Berufstests oder Persönlichkeitstests. VieIe sind ein gutes Mittel der Vorselektion. Am besten macht man nicht einen, sondern mehrere Tests. Das kann einen Ausbildungswunsch oder Berufsrichtung verstärken. Es kann aber auch – hierauf weise ich explizit hin – zu mehr Verwirrung führen.

Berufswahltest – jein. Sie basieren auf künstlicher Intelligenz. Ich finde das Schüler:innen, Berufsanfänger:innen, jeder Mensch es wert ist, mit menschlicher Intelligenz beraten zu werden.
Darum biete ich keinen typischen Berufswahltest an – zumindest keinen, in dem per Klick und ein paar Antworten der Traumjob auf dem Silbertablett präsentiert wird. Aber ich gehe mit meinen Klient:innen auf eine persönliche Schatzsuche. Das ist es mir wert!

PS: Mein Tipp an die Eltern: machen Sie doch mal einen dieser Tests – ist das der Job, den Sie haben?